Die KI verlässt den Befehlsmodus
Lange Zeit war künstliche Intelligenz etwas, das unterstützte. Etwas, das bei der Hand nahm, Anleitungen ausführte, Routineaufgaben beschleunigte. Eine technische Erweiterung aber keine eigene Instanz. 2025 ist das anders. Heute sprechen wir von Agentic AI – einer Form der künstlichen Intelligenz, die selbstständig denkt, Entscheidungen trifft und handelt. Sie wartet nicht mehr auf Befehle, sondern verfolgt Ziele. Eigenständig. Strukturiert. Lernfähig.
Es ist ein stiller Umbruch – einer, der die Art, wie wir mit Technik umgehen, fundamental verändert.
Was Agentic AI wirklich bedeutet
Der Begriff „Agentic“ leitet sich von „agency“ ab – also der Fähigkeit, selbstbestimmt zu handeln. Genau das ist das zentrale Merkmal dieser neuen KI-Generation: Sie braucht keine detaillierten Anweisungen mehr, sondern versteht Ziele. Und leitet daraus ihre Handlungen selbst ab.
Im Gegensatz zu klassischen KI-Systemen, die Schritt für Schritt durch uns gesteuert werden, arbeiten Agenten wie kleine digitale Persönlichkeiten im Hintergrund. Sie analysieren Situationen, navigieren durch Programme, wählen Tools, greifen auf Daten zu, lernen aus Ergebnissen – und entscheiden dann, wie es weitergeht.
Ein Ziel reicht. Und die Agentic AI findet den Weg dorthin. Sie plant, überprüft, verbessert und manchmal sogar unbemerkt.
Ein Beispiel dafür ist das Open-Source-Projekt Auto-GPT, das 2024 für viel Aufsehen sorgte. Nutzer:innen konnten dort nur ein Ziel eingeben – etwa „recherchiere, welches CRM-System am besten zu Start-ups passt“ – und der Agent begann, Webseiten zu durchsuchen, Inhalte zu analysieren, Listen zu erstellen und die Ergebnisse zusammenzufassen. Ganz ohne weitere Eingriffe.

Warum 2025 der Wendepunkt ist
Die Vision davon, dass KI nicht nur reagiert, sondern handelt, gibt es schon lange. Aber erst jetzt sind Rechenleistung, Datenzugänge und Modelle weit genug, damit diese Systeme auch praktisch einsetzbar sind.
Immer mehr Unternehmen – von Start-ups bis hin zu großen Tech-Konzernen experimentieren mit autonomen Agenten. Im Marketing planen sie Kampagnen, analysieren Zielgruppen, optimieren Inhalte. Im Support beantworten sie komplexe Anfragen, ohne dass ein Mensch eingreifen muss. In der Softwareentwicklung schreiben sie Codezeilen, erkennen Fehler und schlagen Lösungen vor.
Diese KI denkt nicht nur mit: sie denkt voraus.
Was Agentic AI für Unternehmen bedeutet
Für viele Unternehmen stellt sich aktuell nicht mehr die Frage, ob sie KI einsetzen sollten – sondern wie. Und mit Agentic AI verändert sich die Antwort. Denn statt einfache, klar umrissene Aufgaben zu automatisieren, lassen sich jetzt ganze Abläufe übergeben. Nicht in Form von starren Workflows, sondern als dynamische Systeme, die selbst mitdenken. Das kann im Tagesgeschäft bedeuten, dass Reportings automatisch erstellt werden – individuell angepasst, visuell aufbereitet, mit konkreten Vorschlägen für nächste Schritte. Oder dass der Vertrieb neue Leads analysieren lässt und daraus passgenaue Angebote generiert, ohne dass jemand von Hand Daten zusammentragen muss.
Agentic AI kann dort übernehmen, wo zuvor zu viel Zeit in Mikroentscheidungen floss. Sie kann Prozesse beschleunigen, Mitarbeiter:innen entlasten und – richtig eingesetzt – mehr Raum schaffen für Kreativität, Strategie und zwischenmenschliche Interaktion.
Aber: Wo Licht ist, ist auch Schatten
So faszinierend diese Entwicklung auch ist, sie wirft Fragen auf. Was passiert, wenn ein Agent Entscheidungen trifft, die wir nicht nachvollziehen können? Wie stellen wir sicher, dass Transparenz und Kontrolle erhalten bleiben? Und wie schützen wir sensible Daten, wenn die KI selbst entscheidet, welche Informationen sie braucht?
Expert:innen wie Dr. Maja Pohl vom Massachusetts Institute of Technology warnen davor, Agentic AI unkritisch einzusetzen. Sie betonen, dass Verantwortung und Kontrolle weiterhin beim Menschen liegen müssen – insbesondere, wenn Agenten nicht nur technische, sondern wirtschaftliche oder sogar ethische Entscheidungen vorbereiten.
Auch juristisch ist vieles noch offen: Wer haftet, wenn ein autonomer Agent einen Fehler macht? Wer trägt Verantwortung, wenn die KI falsch priorisiert?
Ein realistischer Blick: Was bedeutet das für uns heute?
Die Wahrheit ist: Agentic AI steckt noch in den Kinderschuhen aber sie wächst schnell. Noch ist nicht alles marktreif. Noch sind viele Systeme experimentell. Doch wer heute beobachtet, versteht morgen besser, wie man sinnvoll einsteigt. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen lohnt es sich, diese Entwicklung frühzeitig mitzudenken. Nicht, um alles sofort umzustellen. Sondern um zu erkennen, wo Agentic AI sinnvoll sein könnte – und wo nicht.
Eine neue Intelligenz denkt mit – und manchmal weiter
Agentic AI steht für mehr als nur technische Weiterentwicklung. Sie steht für eine neue Art des digitalen Denkens. Eine Intelligenz, die Ziele versteht, Wege findet und dabei nicht nur Aufgaben abarbeitet, sondern Handlungsspielräume auslotet. Für Unternehmen kann das eine enorme Entlastung bedeuten – aber nur, wenn sie den Wandel bewusst gestalten.
Bei SoftwareIndustrie24 beobachten wir diese Entwicklung aufmerksam. Wir analysieren Trends, ordnen ein, informieren – damit unsere Leser:innen entscheiden können, was für sie wirklich relevant ist.
Denn eines ist klar: Die Zukunft handelt. Und sie beginnt nicht irgendwann sondern sie beginnt jetzt.
Quellen:
Gartner. (2025). Top Strategic Technology Trends for 2025. Abgerufen von gartner.com
Adobe. (2025, April 9). Our vision for accelerating creativity and productivity with agentic AI. Abgerufen von blog.adobe.comWelcome to the Adobe Blog
Mukherjee, A., & Chang, H. H. (2025). Agentic AI: Autonomy, Accountability, and the Algorithmic Society. arXiv. Abgerufen von arxiv.orgarXiv
